Die
Landes-Musterobstmostereien in Niederösterreich
Das
19. Jahrhundert gilt als Hochblüte und goldenes Zeitalter
des Mostes. Die Beseitigung der wirtschaftlichen und persönlichen
Abhängigkeit der Bauern von der Grundherrschaft im
Jahr 1848 war ein wichtiger Auslöser. Die Bauern begannen
nun ihr Eigentum möglichst ertragreich zu bewirtschaften.
Der Obstbau und die Mosterzeugung waren dabei wichtige Einnahmequellen
und zielten darauf ab, die steigende Zahl der Arbeiter aber
auch das eigene Personal und die Familie mit einem guten
Haustrunk zu versorgen.
Um die Qualität des Mostes zu heben und der steigenden
Nachfrage nach Obstwein gerecht zu werden wurden Anfang
des 20. Jahrhunderts in vielen Orten Niederösterreichs
Landesmusterobstmostereien errichtet. Zwischen 1909 und
1913 wurden 6 Mostereien in Betrieb genommen und zwar in
Abetzberg in der Gemeinde Aschbach Markt, in Watzelsdorf
in der Gemeinde Neidling, in Walkenstein in der Gemeinde
Sigmundsherberg, in Wagenreith in der Gemeinde Sonntagberg,
in der Stadt Zwettl und in der Marktgemeinde Kilb.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden noch weitere Mustermostereien
errichtet und zwar Zitzhof im Bezirk Neunkirchen (Der Bauernbündler,
15. Oktober 1932) und in Geras (Das kleine Volksblatt, 26.
Juli 1943). In Altenmarkt a. Ysper, Krumbach, Vitis und
Waidhofen/Thaya wurden ebenfalls Brennkurse und Kurse für
die Mosterzeugung abgehalten wie aus einer Ankündigung
in der Wiener Landwirtschaftlichen Zeitung vom 3. Oktober
1925 nachzulesen ist. Ob es auch an diesen Standorten Mustermostereien
gab und wann diese eröffnet wurden, konnte noch nicht
erhoben werden.
Zweck der Landes-Musterobstmostereien war einerseits, der
steigenden Nachfrage nach Most durch rationelle Verarbeitung
im großen Stil und mit den modernsten Geräten
nachzukommen. Zudem wurde nach genossenschaftlichen Prinzipien
Obst von den Bauern gesammelt, in der Mosterei verarbeitet,
vermostet und der Most wieder an die Bauern verteilt. Die
Übermengen wurden von der Mosterei vermarktet. Ein
weiterer wichtiger Zweck der Musterobstmostereien war die
Abhaltung von Kursen, um das Wissen über eine qualitativ
hochwertige Mosterzeugung und über neueste Entwicklungen
in der Kellertechnologie zu erhöhen. Während die
Produktion nach dem 2. Weltkrieg allmählich eingestellt
wurde, wurde in vielen Mostereien das Kurswesen bis in die
1950er und Mitte der 1960er Jahre fortgesetzt.
Die Errichtung der Mostereien wurde vom Land NÖ und
vom Ackerbauministerium unterstützt, wobei die maschinelle
Ausstattung, die Keller- und Presseinrichtung leihweise
zur Verfügung gestellt wurde. Das Gebäude, der
Keller, das Presshaus, allenfalls ein Dörrhaus wurden
von den Grundeigentümern errichtet bzw. bereitgestellt.
Es waren zumeist Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens, die sich mit der Obstverarbeitung beschäftigt
haben, Bürgermeister (Abetzberg, Watzelsdorf, Zwettl),
Baumschulbesitzer und Pomologen (Kilb) oder Obstbauvereine
(Walkenstein)
Die
erste Mustermosterei in der Monarchie wurde 1891 im slowenischen
Veldes (heute Bled) errichtet. Mit einer Obstpresse aus
Stuttgart und 2 steirischen Obstmühlen wurde am 22.
September der Betrieb aufgenommen. Kurz nach Inbetriebnahme
wurde eine weitere Obstmühle (aus Oberösterreich)
bestellt, die auch in der Lage war, harte Mostbirnen zu
zerschneiden, zu quetschen und zu zerreißen. Mit ihr
konnten 100 Kilogramm Mostbirnen in 10 Minuten verarbeitet
werden. 3 Arbeiter konnten in dieser Mosterei in einer Stunde
300 Kilogramm Obst zu 200 Liter Most verarbeiten. Im Vergleich
dazu: ein Bauer benötigte damals 7 ½ Stunden,
um mit 7 Arbeitern die gleiche Obstmenge zu bewältigen,
hatte aber mit einer einfachen Presse lediglich 160 Liter
Mostausbeute.
Einer
der Gründe für die Errichtung von Musterobstmostereien
war jedenfalls, die Qualität des Obstweines zu heben.
So wurde etwa über einen Holzapfelmost geklagt "daß
er so beschaffen seyndt, daß sye die Mäuler zusamben
ziechn, als ob man den grimmigen Tod pfaiffen wollte".
aktualisiert
am 4. Jänner 2020
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