Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte der Obstverarbeitung in Kilb

Die Baumschule Sirninger

Sirningers Mostbirne

Die Wiederentdeckung
einer Rarität

Die Landes-Musterobst-
mostereien in NÖ

1. Landes-Obstmosterei Abetzberg, Aschbach Markt

2. Landes-Obstmosterei Watzelsdorf, Neidling

3. Erste Waldviertler Obstmosterei Walkenstein, Sigmundsherberg

4. Landes-Obstmosterei Wagenreith, Sonntagberg

5. Landes-Obstmosterei, Zwettl

6. Landes-Obstmosterei,
Kilb

7. Mosterei der landwi. Genossenschaft Waidhofen/Thaya

8. Mosterei der NÖ Landes-Landwirtschaftskammer
in Zitzhof

1. NÖ Landes-Musterobstmosterei Abetzberg, Gemeinde Aschbach Markt, Bezirk Amstetten

Bereits im Jahr 1905 rief ein Komitee dazu auf, eine Genossenschaft zur Errichtung einer Obstmosterei für das Viertel ober dem Wienerwald in Mauer-Öhling zu gründen. Zweck der Mosterei war, große Obstmengen in guten Obstjahren, sofern diese nicht für den Eigenbedarf verwertet wurden, zu kaufen und zu verarbeiten. Neben der Mostherstellung und dem -verkauf, soll sich die Tätigkeit der Mosterei auch auf den Verkauf von Tafel-obst, die Verwertung von Zwetschken durch Dörren und Brennen und die Verarbeitung des Fallobstes erstrecken. Trester - also Pressrückstände - wurden ebenfalls zu Brannt-wein verarbeitet. Es soll ein "vorzüglicher Obstmost erzeugt werden, der willige Ab-nehmer findet". Neben gewöhnlichem Most, sollen auch moussierende Moste, Obstsäfte und Obstkraut produziert und verkauft werden. Die Finanzierung erfolgt durch Zeichnung von Genossenschaftsanteilen in Höhe von jeweils 50 Kronen (= ca. 250,- Euro, mit der 5-fachen Haftung), durch Subventionen und durch Inanspruchnahme eines Kredites.
Als Standort war ursprünglich der Kirchweger-Hof in Mauer Öhling vorgesehen, der allerdings für die Erweiterung der Landes-Heil und Pflegeanstalt Mauer Öhling eine andere Verwendung fand.
Im Gründungskomitee der Mostereigenossenschaft waren die NÖ Landtagsabgeordneten Josef Stöckler und M. Bauchinger, Landesausschussmitglied Johann Mayer, der Bgm von Abetzberg Johann Stöckl, der Bgm von Öhling Franz Ramsauer, der Bgm von St. Johann Engstetten Josef Tempelmayer, der Bgm von Mauer Franz Pilfinger, Georg Mayerhofer, Wirtschaftsbesitzer in Strengberg und Josef Grubbauer, GR und Wirtschaftsbesitzer in Sindelburg.
Vier Jahre später, am 11. Oktober 1909 wurde die 1. NÖ Landes Obstmosterei in Abetzberg, Gemeinde Aschbach Markt eröffnet. Es war die erste mit Dampf betriebene Mosterzeugung in Österreich und der modernste Betrieb hinsichtlich Mostbereitung und Kellertechnologie in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Sie wurde vom NÖ Landesausschuss am Anwesen des Bürgermeisters Ignaz Stöckl (Meiergut in Groß Kienberg) erreichtet. Bereits von Beginn an hielt Landes Obstbauinspektor Löschnig Kurse über die Mostbereitung und die Kellerbehandlung des Obstweines ab.

Eine genaue Beschreibung der 1. NÖ Landes-Musterobstmosterei enthält die Zeitschrift für die Gesamtinteressen des Obstbaues „Der Obstzüchter“, herausgegeben und redigiert von Josef Löschnig, Nr. 12 vom 1. Dezember 1909:


Landes-Musterobstmosterei in Abetzberg (Originaltext)

An der Westbahnn eine Station ober Amstetten (Eisenbahnstation Mauer-Öhling), in Abetzberg errichtete das Land Niederösterreich eine Landes-Musterobstmosterei und damit eine Stätte, wo die Mosterzeugung und Behandlung des Obstweines praktisch und theoretisch gelehrt wird. Bei der Errichtung dieser Anlage war die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Mostes in einem großen Teile des Landes und die vielfach unrationelle Vorgangsweise bei der Herstellung und Behandlung von Obstwein maßgebend.
Für jeden landwirtschaftlichen Kulturzweig gab es in Österreich und insbesondere in Niederösterreich Lehrstätten (Schulen, Versuchsanstalten), wo Gelegenheit geboten wurde, auf Grundlage der neuesten Erfahrungen sich Rat und Erfahrung zu holen. Die Mosterzeugung wurde allein stiefmütterlich ohne eine solche Stätte abgetan.
Die Veranstaltung zahlreicher Mostkosten zeigte jedoch, daß dem Moste als Hausgetränk und auch als Handelsartikel ein großer Wert innewohnt, welcher durch eine rationelle Behandlungsweise noch gehoben werden könnte. Nach gfründlicher Überlegung und nach diesbezüglichen, bei anderen landwirtschaftlichen Kulturzweigen gemachten Erfahrungen kam man schließlich dahin, daß der Förderung der Mostproduktion durch Errichtung einer Muster-Obstmosterei am besten gedient wäre.
Um einerseits mit dieser Einrichtung auch den wirklich erhofften Erfolg zu erzielen und mit den immerhin beschränkten Mitteln einem größeren Teile der Bevölkerung des Landes Vorteile zu bieten, wurde ein eigenartiger Vorgang gewählt, welcher jedenfalls eine kurze Beschreibung verdient.

Fig. 72. Mosterei in Abetzberg; Von der Waschmaschine gelangt das Obst mittels Elevator in den oberen Stock, von dort auf die Mühle und dann auf die Presse Aufgestellt von der Fa.Ph Mayfarth in Wien
Eine Landes-Musterobstmosterei aus Landesmitteln errichtet und in Landesregie betrieben, hätte ebgesehen von den bedeutenden Mitteln, welche sie erfordert hätte, noch einen Nachteil, daß die bäuerliche Bevölkerung solchen Unternehmungen in der Regel längere Zeit mißtrauisch gegenübersteht. Es müsste für den Betrieb solcher Mostereien das Obst eingekauft und der erzielte Most verkauft werden, wodurch wieder in guten Mostjahren den Produzenten eine gewisse Konkurrenz erwächst.
Vom obigen Gesichtsdpunkte ausgehend wurde von der Errichtung einer Musterobstmosterei, betrieben in Eigenregie des Landes, abgesehen, dafür eine solche bei Herrn Bürgermeister Ignaz Stöckl in Abetzberg auf Grundlage eines Vertrages errichtet.
Der mit Herrn Stöckl abgeschlossene Vertrag lautet im wesentlichen folgendermaßen:

§ 1. Herr Ignaz Stöckl räumt dem Landesausschusse das Recht ein, in seinem Mostkeller und Presshause in Groß-Kienberg Demonstrationen über Bereitung des Mostes und über Kellerbehandlung desselben abzu-halten. Zu den Demonstrationen kann der Landes-ausschuss Teilnehmer nach seinem Ermessen einberufen.

§ 2. Herr Ignaz Stöckl verpflichtet sich, die Herstellung des Mostes rationell durchzuführen. Herrn Stöckl dürfen außer den Auslagen der gewöhnlichen rationellen Mosterzeugung keine anderen Mehrkosten erwachsen.
Den bei Außerachtlassung der fachlichen Anordnungen eventuell erwachsenen Schaden hat Herr Stöckl jedoch allein zu tragen.

§ 3. Das zu verarbeitende Obst wird Herr Stöckl aus seiner Wirtschaft beistellen; der aus diesem Obst erzeugte Most ist sein Eigentum.

§ 4. Der Zukauf des Obstes zu Mostzwecken ist nur mit Zustimmung des Landesausschusses gestattet.
§ 5. Über den erzeugten Most verfügt Herr Stöckl nach seinem eigenen Ermessen, verpflichtet sich jedoch, nach Tunlichkeit ein entsprechendes Quantum Most für Kurszwecke lagern zu lassen.

§ 6. Der Landesausschuss übernimmt hinsichtlich des Mostabsatzes keinerlei Verpflichtungen.

§ 7. Der Landesausschuss stellt Herrn Stöckl bei der Einhaltung dieses Vertrages die Preßhaus- und Kellereinrichtung leihweise zur Verfügung, welche Gegenstände Herr Ignaz Stöckl nach Ablauf der Vertragszeit um einen festgesetzten Betrag vom Landesausschuss erwerben kann.


Fig. 73. kleine Mostereieinrichtung: Waschmaschine, Mahlmühle und Presse.

In technischer Hinsicht bietet die Landes-Musterobstmosterei in Abetz-berg, die sich auf die neuesten Erfahr-ungen aufbaut, viel des Interessanten.
Die Einrichtung ist derart getroffen, daß Kurse und Demonstrationen sowohl für Gutsbesitzer als auch für Fachleute und Wirtschaftsbeditzer abgehalten werden können. Außer dem Großbetrieb mit Motorantrieb und der hydraulischen Presse (Fig. 72) ist auch für einen mittleren Betrieb mit Obstmahlmühle und Waschmaschine mit Handbetrieb (Fig. 73) vorgesorgt.

Aber auch der Verwendung des landesüblichen Baum-pressen und der stark verbreiteten sogenannten Birnreiben (Fig. 74) ist Rechnung getragen worden, indem

diese im Betriebe aufgenommen sind.
Die Mosterei ist somit nicht nur in der Lage, die verschiedenen Be-triebseinrichtungen, von der größten bis zur klein-sten bei ihren Demonstrationen je nach der Zuhörerschaft in Aktion treten zu lassen
, sondern man hat auch Gelegenheit, die Vor- und Nach-teile dieser Betriebseinrichtungen vergleichsweise miteinander auszuprobieren. 'Was den großen Betrieb anbelangt, so sind für die Mosterei nach dem derzeitigen Stande der Erfahrungen wohl ausschließlich hydraulische Pressen zu verwenden. Nur diese Pressen arbeiten mit der ge-wünschten Schnelligkeit und


Fig. 74. Birnreibe mit Baumpresse; Mosterei Abetzberg
Reinlichkeit. Ob man hierbei die Zwillingspresse (siehe Fig. 72) oder die aus-schwenkbare Presse verwenden soll, wird endgültig erst die Zukunft entscheiden. Wir empfehlen derzeit hydraulische Zwillingspressen (im Preise rund 2000 Kronen).
Für jeden Mostereibetrieb, groß oder klein, muß eine Vorrichtung zum Waschen des Obstes vorhanden sein. Für den Großbetrieb kommen ausschließlich Waschmaschinen in Betracht. In der Mosterei Abetzberg ist eine sogenannte Waschrostmaschine in einen Betonbehälter eingebaut, Durch den Elevator werden die Früchte im Wasser bewegt, gewachen und dann auf die Obstmahlmühle übertragen, wobei zum Ab-schwemmen des Obstes noch eine Brause angebracht ist (Fig. 75)


Fig. 75 Längsschnitt durch die Mosterei in Abetzberg, ausgeführt von der Firma Ph. Mayfarth in Wien, 1 Wasserbehälter, 2 Waschrost, 3 Ablauf, 4 Wasserbrause,
5 Absperrhahn zur Wasserbrause, 6 Elevator, 7 Becher, 8 Obstzuführungs-rinne vom Elevator zur Mühle, 9 Obstmühle, 10 Vorschneider Reißwolf, 11 Walzen, 12 verstellte Klappe, 13 Zuführungs-rinne des gemahlenen Obstes zu den Preßkörben, 14 Absperr-klappe an der Zuführungsrinne, 15 hydraulische Presse, 16 Preßkörbe auf fahrbarem Wagen, 17 Preßzylinder, 18 Preßpunpe, 19 Manometer, 20 Gegengewicht, 21 Handrad zum Verschieben der Körbe, 22 Ablaufrinne, 23 Schlauch mit Hahn, 24 Meßgefäß,
25 Moststandanzeiger, 26 Hahn, 27 Tre-sterwagen, 28 Motor, 29 Vorgelege, 30 Ausdrücker zum Elevator, 31 Ausdrücker zur Obstmühle

Für den Großbetrieb sind die Obstmahlmühlen derart über der Presse anzubringen, daß das Mahlgut direkt auf den Preßkorb herabfällt. In der Mosterei in Abetzberg mußte die Mahlmühle infolge der geringen Höhe des Preßraumes auf den darüber liegenden Schüttboden verlegt werden. Das Mahlgut kann durch einen Handgriff nach rechts oder links, nach dem eben leerstehenden Preßkorb, geleitet werden. Es wäre noch zu bemerken, daß die Mühle mit einem Vorschneider versehen ist und die beiden Steinwalzen eine Geschwindigkeit von 1:3 zwecks einer besseren Zerkleinerung besitzen.
Zum Antriebe der Mahlmühle und des Elevator steht ein transportabler Benzinmoter von 6 Pferdestärken zur Verfügung. Der Motor dient gleichzeitig zum Betriebe von anderen landwirtschaftlichzen Maschinen , Dreschmaschine, Futterschneidemaschine usw. und ist seiner vielseitigen Verwendung wegen entsprechend stärker gebaut. Für die Mosterei wird kaum die halbe Kraft verwendet.
Die Presse selbst wird nicht mit Motor angetrieben, sondern mit einer Hand-preßpumpe, denn das Waschen und Mahlen dauert verhältnismäßig nur kurze Zeit und wird durch diese Anordnung da ununterbrochene Laufen des Motors erspart. Der Arbeitsaufwand wird durch die Handpumpe nicht derart vergrößert, daß hierzu eine Vermehrung der Arbeitskräfte notwendig wäre.
Die Einrichtung wurde un zufriedenstellender Weise von der Firma Ph Mayfarth in Wien, II durchgeführt.
Die Mosterei für den mittleren und kleinen Betrieb besteht aus einer Waschmaschine (französisches System der Firma Franz Rechvile, Wien) und einer Obstmahlmühle- samt einer Oberdruckpresse der Firma Großenberger in Mauer-Öhling. Die Obstmahl-mühle, welche je nach der Größe des Betriebes in den verschiedensten Dimensionen hergestellt wird, entspricht vollkommen. Die Waschmaschine arbeitet geradezu ideal. Sie beruht auf dem Prinzip, daß eine in einer Trommel festgemachte Schnecke beim Drehen der Trommel die Früchte aufwärts bewegt und im Wasser reinigt. Der untere teil der Trommel befindet sich nämlich im Wasser. Die Mühle, ebenfalls mit einem Vorschneider versehen, zeichnet sich diúrch einen leichten Gang und verhältnismäßig große Leistungsfähigkeit aus.
Auér diesen beiden Einrichtungen, welche noch durch Einzelmaschinen , wie sie von den einzelnen Firmen zur Probe beigestellt werden, verfügt die Mosterei noch über zwei landesübliche Preßeinrichtungen. Es sind das die allbekannten Baumpressen mit einer Vorrichtung, durch welche der Stein mittels einer Winde aufgezogen oder herabgelassen werden kann, eine Neuerung welche auch in den Weingegenden Beachtung verdienen würde. Zum Zerkleinern des Obstes dient hier die Birnenreibe (Fig. 74) und es sei bemerkt, daß diese trotz mehrerer Nachteile wohl nicht ohne weiteres abzuweisen ist. Die Nachteile dieser Birnreibe bestehen in erster Linie darin, daß sie einen großen Platz einnimmt, in der Anschaffung ziemlich teuer ist und (als Hauptnachteil) bei wenig sorgfältiger Reinigung nach jeder Verwendung können die im Troge zurückbleibenden Reste leicht ansäuern und der nächsten Pressung ansteckungskeime für das Sauerwerden des Mostes bieten. Bei guter Reinigung und dort, wo sie vorhanden sind, können die Reiben jetzt wie vor verwendet werden.

Unter dem Preßhause befindet sich der Mostkeller, Von sämtlichen Pressen fließt der Saft in eigene Bottiche, welche mit Wasserstandsrohren versehen sind. Diese Einrichtung hat sich zum Durchführen der Versuche um die Ausbeute des Pressens bequem ablesen zu können, als sehr praktisch erwiesen.
Über die Einrichtung des Kellers und über die Behandlung des Mostes soll ein anderesmal näher berichtet werden. Ebenfalls wird über die mit den verschiedenen Maschinen erst später ein objektives Urteil abgegeben werden.
Es wäre nun noch zu bemerken, daß im heurigen Jahr zehn verschiedene Birnensorten gesondert gepresst wurden und daß der Most auf Zucker-, Säure- und Gerbstoffgehalt untersucht wird. Auffallenderweise variiert die Ausbeute nach der Sorte ungemein stark, so zum Beispiel wurde bei der Lehoferbirne ohne Wasserzusatz eine Ausbeute von 82 Prozent erzielt, während andere Sorten mit kaum 60 Prozent Ausbeute zu verzeichnen waren.
Trotz des kurzen Bestandes der Mosterei in Abetzberg haben bereits im Jahre 1909 94 Besucher
an den Mostereikursen teilgenommen. Noch größer dürfte die Beteiligung an den Kellerwirtschaftskursen über Mostbereitung im Monate Dezember und Jänner werden.
Ähnlich wie in Abetzberg sollen auch in anderen Mostgebieten des Landes Niederösterreich solche Mustermostereien entstehen; sie sollen in erster Linie den Fortschritt auf dem Gebiete der Mosterzeugung in die Bevölkerung tragen, die rationelle Mosterzeugung einbürgern; sie sollen aber auch dem Absatze dienen.
Die Grundbedingung des Handels ist und bleibt. daß man gleichmäßige Ware zu jeder Zeit liefern kann: Dies waren die Wirtschaftsbeitzer mit der primitiven Kellerbehandlung nicht imstande. Hoffen wir, daß in Hinkunft mit Unterstützung der Landes-Musterobstmostereien dies gelingen wird.

Quellen: "Der Obstzüchter", herausgegeben und redigiert von Josef Löschnig, Nr. 12 vom   1. Dezember 1909; Cerny/Brachner, Der Most - Taufpate einer Region, NÖ Pressehaus, 1996, Cerny/Üblacker, Die Moststraße - zwischen Donaustrand und Alpenrand, Residenzverlag, 2006, Dr. Heimo Cerny, Vierkanter - Wahrzeichen des Mostviertels, Volkskultur NÖ; www.anno.onb.ac.at

aktualisiert am 14. Jänner 2020