Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte der Obstverarbeitung in Kilb
Die Baumschule Sirninger
Sirningers
Mostbirne
Die
Wiederentdeckung
einer Rarität
Die
Landes-Musterobst-
mostereien in NÖ
1.
Landes-Obstmosterei Abetzberg, Aschbach Markt
2.
Landes-Obstmosterei Watzelsdorf, Neidling
3.
Erste Waldviertler Obstmosterei Walkenstein, Sigmundsherberg
4.
Landes-Obstmosterei Wagenreith, Sonntagberg
5.
Landes-Obstmosterei, Zwettl
6.
Landes-Obstmosterei,
Kilb
7.
Mosterei der landwi. Genossenschaft Waidhofen/Thaya
8.
Mosterei der NÖ Landes-Landwirtschaftskammer
in Zitzhof
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2.
NÖ Landes-Mustermosterei Watzelsdorf, Gemeinde Neidling,
Bezirk St. Pölten
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Am
3. Oktober 1910 wurde die zweite NÖ Landes-Musterobstmosterei
in Watzelsdorf in der Gemeinde Neidling, Bezirk St.
Pölten eröffnet. Und wieder war es ein Anwesen
eines Bürgermeisters, Johann Wutzl. Errichtet wurde
die Anlage vom NÖ Landesausschuss mit Unterstützung
des k.k Ackerbauministeriums. In einem Zeitungsartikel
der "Illustrierten St. Pöltner Zeitung"
vom 20. April 1911 heisst es dazu: "Der Obstwein
oder Most ist das naturgemäße Getränk
der arbeitenden Klasse eines sehr großen Gebietes.
Ein guter Haustrunk erhält die landwirtschaftlichen
Arbeiter in phy-sischer und psychischer Hinsicht in
guter
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Verfassung,
beugt der Flucht der Arbeiter in die Städte vor und saet
Versöhnung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist
nicht unsere Absicht, die Wein-produktion, welche jedenfalls
mit großen Übelständen
zu kämpfen hat, hier im Vergleich mit der Obstweinerzeugung
zu bringen; jedenfalls ist keine Gefahr vor-handen, dass der
Most den Wein, sei es nur zum Teil verdrängen könnte.
Der Traubenwein hat sich unter den Getränken eine Stelle
errungen, aus der ihn der Obstwein weder verdrängen kann
noch will. Trotz der ganzen, allseits anerkannten Bedeutung
der Obstweinbereitung, konnten die auf diesem Gebiete verzeichneten
Fortschritte mangels an Gelegenheit, die Mosterzeugung und Behandlung
des Obstweines praktisch und theoretisch zu lehren in den großen
Kreisen der Obst-züchter nicht Eingang finden. Diesem Übelstande
wird durch die Errichtung von Musterobstmostereien vorgebeugt."
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Generell
wurde mit der Errichtung von Landes-Mustermostereien
bezweckt, keine Landesgesellschaften zu schaffen, sondern
bestehende bäuerliche Mosterei-Ein-richtungen zu
Musteranlagen auszugestalten.
Dazu hat der Landesausschuss dem Eigentümer, Johann
Wutzl, Bürgermeister von Neidling von 1891 bis
1925, folgende Rechte eingeräumt:
"§ 1. Herr Johann Wutzl räumt dem
Landesausschusse das Recht ein, in seinem Mostkeller
und Presshause in Wetzelsdorf Demon-strationen über
Bereitung des Mostes und über Kellerbehandlung
desselben abzuhalten. Zu den Demonstrationen kann der
Landesausschuss Teilnehmer nach seinem Ermessen einberufen.
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§
2. Herr Johann Wutzl verpflichtet sich, die Herstellung des
Mostes rationell durchzuführen. Herrn Wutzl dürfen
außer den Auslagen der gewöhnlichen rationellen Mosterzeugung
keine anderen Mehrkosten erwachsen. Den bei Außerachtlassung
der fachlichen Anordnungen eventuell erwachsenen Schaden hat
Herr Wutzl jedoch allein zu tragen.
§ 3. Das zu verarbeitende Obst wird Herr Wutzl aus seiner
Wirtschaft beistellen; der aus diesem Obst erzeugte Most ist
sein Eigentum.
§ 4. Der Zukauf des Obstes zu Mostzwecken ist nur mit Zustimmung
des Landesausschusses gestattet.
§ 5. Über den erzeugten Most verfügt Herr Wutzl
nach seinem eigenen Ermessen, verpflichtet sich jedoch, nach
Tunlichkeit ein entsprechendes Quantum Most für Kurszwecke
lagern zu lassen.
§ 6. Der Landesausschuss übernimmt hinsichtlich des
Mostabsatzes keinerlei Verpflichtungen.
§ 7. Der Landesausschuss stellt Herrn Wutzl bei der Einhaltung
dieses Vertrages die Preßhaus- und Kellereinrichtung leihweise
zur Verfügung, welche Gegenstände Herr Johann Wutzl
nach Ablauf der Vertragszeit um einen festgesetzten Betrag vom
Landesausschuss erwerben kann."
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Dieser
Keller mit Presshaus ist heute noch vorhanden und befindet
sich im Garten der Familie Ronge/Straßer in Watzelsdorf
Nr.4. Transmissionswelle und Kellereinrichtung von damals
sind noch vorhanden.
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Beschreibung
der Anlage:
Kelteranlage besteht aus einer Oberdruck-Zwillings-presse
mit ausfahrbaren Körben. Der von der Presse ausgeübte
Druck auf einen Quadratzentimeter Press-korbfläche
beträgt 7 Kilo-gramm. Obstwaschmaschine und Obstmahlmühle
sind von mittlerer Größe und werden durch
einen Göpel ange-trieben (dieser dient auch zum
Dreschen). Zur Press-anlage gehört der kippbare
Ausnehmbottich mit Vipe. Vom Pressraum führt der
Kellerhals in den Keller. Der Keller ist mit Filterapparaten,
Weinpumpen, Blasbälgen zum Abziehen und den wichtigsten
Untersuchungs-apparaten ausgestattet.
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Der
Verfasser des Artikels, Landtagsabgeordneter J.Zwezbacher dankt
Johann Mayer vom Landes-ausschuss für Obst- und Wein-bau
sowie Landesobstbau inspektor Löschnig und beendet seine
Ausführungen mit den Worten: "Hoffen wir daß
die Mustermosterei Watzelsdorf beitragen wird, den Fortschritt
auf dem Gebiete der Obstwein-erzeugung in die weitesten Kreise
der Bevölkerung zu tragen, zu Nutz und Frommen der Produ-zierenden
und Konsumierenden."
Die
Mostereikurse wurden Jährlich im Oktober von 1910 bis
1916 und von 1923 bis 1929 abgehalten. An den zweitägigen
Kursen haben 25 bis 30 Personen teilge-nommen. Der Kursablauf
gestaltete sich folgendermaßen:
Kursablauf
1. Tag:
Bedingungen, unter welchen ein guter, haltbarer Most zustandekommt
Abwiegen des Mostes mittels Dezimalwaage und Berechnung der
Ausbeute
Erste Pressung und Prüfung der vom NÖ Landesobstbauverein
den Kursteilnehmern gespendeten Mostwaagen
Säuremessung
Besprechung der Apparate der Mosterei
Kursablauf
2. Tag:
Exkursion zum Dürrhäuschen nach Flinsbach
Zweite Pressung, Säure- und Zuckerbestimmung
Quellen:
August Pachschwöll, Die NÖ Landesmusterobstmosterei
in Watzelsdorf, 1983; www.anno.onb.ac.at
aktualisiert
am 1. Dezember 2023
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